Phytotherapie

Phytotherapie


 »» Was ist Phytotherapie?
»» Was ist ein Phytotherapeutikum?
»» Was ist eine "Monographie"?
»» Woher stammen die Pflanzen für die Phytotherapeutika?
»» Wie werden Phytopharmaka zubereitet?
»» Welche Pflanzenzubereitungen gibt es?

Was ist Phytotherapie?

 "Phytotherapie ist die Heilung, Linderung und Vorbeugung von Krankheiten bis hin zu Befindensstörungen durch Arzneipflanzen, deren Teile (z.B. Blüten, Wurzeln) oder Bestandteile (z.B. ätherische Öle) sowie deren Zubereitungen (z.B. Trockenextrakte, Tinkturen, Presssäfte (siehe auch "Welche Pflanzenzubereitungen gibt es?"))." (sinngemäß nach der amtlichen nationalen bzw. EU-Definition).
Die Phytotherapie ist aus der alten Kräutermedizin entstanden. Das Wissen um die Anwendungsgebiete der einzelnen Heilpflanzen wurde von Ärzten und in Klöstern bewahrt. Der Begriff "Phytotherapie" wurde von dem französischen Arzt Henri Leclerc (1870 - 1955) eingeführt. Sie ist die naturwissenschaftliche Fortsetzung der Erfahrungsheilkunde früherer Zeiten. Die heutige Phytotherapie ist keine alternative Medizin im engeren Sinne, sondern ein Teil der wissenschaftlich orientierten Medizin.
Viele der heute verwendeten chemisch-synthetischen Arzneistoffe haben ihren Ursprung aus Substanzen, die in Pflanzen gefunden und extrahiert wurden. Durch Weiterentwicklung dieser Pflanzenwirkstoffe sind vielfältige Arzneimittel entstanden. Das bekannteste Beispiel ist die Acetylsalicylsäure , die aus dem Salicin der Weidenrinde entwickelt wurde.    

Was ist ein Phytotherapeutikum?

 Die Arzneimittel der Phytotherapie werden Phytopharmaka oder Phythotherapeutika genannt. Dabei dient der Gesamtextrakt der Pflanze als Arzneimittel. Zu den Phytopharmaka zählen nicht isolierte Pflanzeninhaltsstoffe (z.B. Digitoxin, Reserpin, Atropin) oder synthetisch hergestellte, naturidentische Stoffe. Kombinationen mit homöopathischen Urtinkturen pflanzlicher Herkunft  zählen ebenfalls nicht zu den Phytotherapeutika.
Im Gesamtextrakt einer Pflanze sind neben den wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen weitere Substanzen enthalten. Diese beeinflussen zum Teil die Aufnahme der Wirkstoffe in den Körper oder verstärken die Wirkung der Wirkstoffe. Zum Teil verursachen sie aber auch eigenständig Wirkungen, die bei der Therapie nicht erwünscht sind.

 Der Vorteil der Phytopharmaka gegenüber den chemisch-synthetischen Arzneimitteln besteht in einer geringeren Nebenwirkungsrate, seltener auftretenden Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und einer größeren therapeutischen Breite. Die therapeutische Breite gibt die Minimal- und Maximaldosierungen eines Arzneimittels an. Die Minimaldosierung wird bestimmt vom Auftreten einer Wirkung, die Maximaldosierung durch das Auftreten von Überdosierungserscheinungen.

 Typisch für Phytopharmaka ist, dass die therapeutische Wirkung in den meisten Fällen erst nach einer Zeitspanne von 2 - 4 Wochen auftritt.

 Es gibt verschiedene Gruppen von Phytotherapeutika:

1. Die rationalen Phytotherapeutika:

 Darunter fallen alle nach dem 2. Arzneimittelgesetz (1976) zugelassenen Phytotherapeutika. Das waren im Juni 2000 1210 Phytomono- und 112 Phytokombinationspräparate. Diese Präparate erkennt man an der Zulassungsnummer (Zul.-Nr. bzw. EU-Nr.). Das bedeutet, das diese Arzneimittel für die Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, der Nachfolger des Bundesgesundheitsministeriums) die identischen Kriterien erfüllen mussten wie ein übliches chemisch-synthetisches Arzneimittel. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit muss dabei durch Studien, die bestimmten Kriterien genügen müssen, eindeutig nachgewiesen sein. Diese Präparate sind durch die gesetzlichen Krankenkassen im Prinzip erstattungsfähig.
Zu den rationalen Phytotherapeutika gehören ebenso die nach dem 1. Arzneimittelgesetz (1961) registrierten Arzneimittel. Diese sind an der Registrier-Nummer (Reg.-Nr.) zu erkennen. Diese Präparate befinden sich zur Zeit im Nachzulassungsverfahren, um eine Zulassung nach dem 2. Arzneimittelgesetz zu erhalten.

2. Die traditionell angewendeten Phytopharmaka:

 Diese Präparate wurden vor dem 2. Arzneimittelgesetz auf den Markt gebracht. Es musste dazu kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Lediglich die Unbedenklichkeit musste nachgewiesen werden. Ihr Wirkstoffgehalt ist deutlich geringer und häufig ist die Qualität niedriger als bei den rationalen Phytopharmaka. Die traditionell angewendeten Phythotherapeutika werden vorwiegend außerhalb der Apotheken vertrieben. Auf der Verpackung ist der Vermerk "Traditionell angewendet bei/zur..." angebracht. Diese Präparate werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.

3. Die alternativen Phytotherapeutika:

 Dazu zählen die Ayurveda-Arzneimittel, die Bachblüten-Essenzen (siehe "Bach-Blütentherapie), Arzneimittel der Hildegard von Bingen-Medizin, der orthomolekularen Medizin, der Paracelsus-Medizin und der traditionellen chinesischen Medizin (TCM).
Die Phytopharmaka unterscheiden sich deutlich von den Nahrungsergänzungsmitteln, biological nutritives und ähnlichem. Diese pflanzlichen Zubereitungen sind Lebensmittel und keine Arzneimittel wie die Phytotherapeutika. Nahrungsergänzungsmittel müssen demnach keinen Qualitäts-, Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis im Sinne des Arzneimittelgesetzes erbringen. Die Unterscheidung zwischen Arzneimittel und Lebensmittel fällt dem medizinischen Laien oft schwer.   

Was ist eine "Monographie"?

 Eine "Monographie" ist die Beschreibung einer Pflanze bezüglich wirksamkeitsbestimmender Inhaltsstoffe, Wirkungen, Wirkungseintritt, Wirkungsmechanismus, Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Dosierung und Darreichungsform. Die Monographien in Deutschland werden von der Kommission E des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgelegt. Die Kommission E bestand aus Sachverständigen mit besonderen wissenschaftlichen und/oder praktischen Erfahrungen in der Phytotherapie. Diese Sachverständigen arbeiteten in den Jahren 1978 - 1995 das weltweit vorhandene wissenschaftliche Erkenntnismaterial von 378 Pflanzen und Pflanzenzubereitungen auf. In dieser Zeit war die Kommission nicht nur in der Aufbereitung der wissenschaftlichen Grundlagen tätig, sondern diente auch als Zulassungsstelle.

 Die Monographien werden in Positiv- und Negativ-Monographien geteilt. Als Positiv-Monographien werden die Monographien der Pflanzen bezeichnet, für die die Kommission einen ausreichenden Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand der vorhandenen Studien führen konnte. Für die Pflanzen, für die die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht festgestellt werden konnte oder für die zwar eine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte, jedoch die Unbedenklichkeit nicht gewährleistet war, wurden sogenannte Negativ-Monographien erstellt. Für 115 der 378 geprüften Pflanzen wurden Negativ-Monographien verfasst.

 Seit 1992 werden durch die EU ESCOP-Monographien (Europaen Scientific Cooperative on Phytotherapy) und seit 1998 durch die WHO Monographien erstellt. Bisher bestätigen diese die durch die Kommission E festgelegten Anwendungsgebiete, Nebenwirkungen und Dosierungen. 

   
Woher stammen die Pflanzen für die Phytotherapeutika?

 Die Pflanzen für die Phytopharmaka stammen zu 50% aus Wildsammlungen. Dies trifft z.B. für die Teufelskrallenwurzel, die Arnikablüten und die Birkenblätter zu. Wildsammlungen sind nur möglich, wenn die Pflanzen in der Natur sehr reich vorhanden sind.

 40% der insgesamt circa 400 phytotherapeutisch genutzten Pflanzen stammen aus Pflanzenkulturen, z.B. Kamillenblüten, Baldrianwurzel, Leinsamen. Kulturen werden angelegt, wenn ein sehr großer Bedarf besteht oder die Pflanzen unter Naturschutz stehen. Pflanzenkulturen sind sehr teuer. Sie haben allerdings den Vorteil, dass das Pflanzenmaterial einheitlicher ist, Verwechslungen und Verfälschungen praktisch ausgeschlossen sind und Verunreinigungen und Rückstände von Pflanzenschutzmitteln sehr gering auftreten. Des weiteren werden gezielt Züchtungen vorgenommen, um den Anteil der wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe in den Pflanzen zu erhöhen.

 Aus Wildsammlungen und Pflanzenkulturen gleichermaßen stammen ungefähr 10% der Arnzeipflanzen. Dies gilt z.B. für Johanniskraut, Weidenrinde, Weißdornblätter mit Blüten.    

Wie werden Phytopharmaka zubereitet?

Pflanzen, die zu Arzneimitteln verarbeitet werden, müssen zu ganz bestimmten Zeiten im Jahr geerntet werden. Die richtigen Zeitpunkte hängen ebenfalls von der Tageszeit und der Wachstumsphase der Pflanzen ab. Z.B. müssen Pfefferminzblätter und Echinaceakraut während der Blütezeit geerntet werden. Danach müssen die Pflanzen sorgfältig getrocknet werden. Direktes Sonnenlicht und Temperaturen über 80°C sollten vermieden werden. Danach werden die getrockneten Pflanzen trocken, kühl und lichtgeschützt gelagert.

 Zur Weiterverarbeitung werden die Pflanzen geschnitten und durch spezielle Anlagen von Verunreinigungen befreit. Anschließend werden sie entweder direkt zu Teemischungen verarbeitet oder es werden Tinkturen bzw. Extrakte hergestellt.

 Manche Phytopharmaka wie z.B. Kürbissamen, Leinsamen und Wacholderbeeren werden direkt ganz oder zerkleinert eingenommen. Die meisten Pflanzen jedoch werden weiterverarbeitet zu flüssigen, halbfesten oder trockenen Zubereitungsformen. (siehe "Welche Pflanzenzubereitungen gibt es?").    
   

Welche Pflanzenzubereitungen gibt es?

Prinzipiell muss zwischen flüssigen, halbfesten und trockenen Zubereitungen unterschieden werden.

 Zu den flüssigen Zubereitungsformen zählen die Frischpflanzenzubereitungen (z.B. Presssäfte, Pflanzenauszüge), Teezubereitungen und flüssigen Extrakte. Bei den flüssigen Extrakten (z.B. Tropfen) ist zu beachten, dass sie immer Alkohol enthalten und somit bei Alkoholikern, Patienten mit Leberschäden und Kindern nicht verordnet werden dürfen.

 Die halbfesten Zubereitungen entstehen aus einem zähflüssigen Extrakt. Dieser wird zu Bädern, Gelen, Weichgelatinekapseln, Salben, Sirupen oder Zäpfchen weiter verarbeitet.

 Trockene Zubereitungsformen wie Dragees, Granulate, Hartgelatinekapseln, Pastillen, Tabletten und Filmtabletten werden aus Trockenextrakten oder aus den zerkleinerten bzw. pulverisierten Pflanzen hergestellt.

Literaturquellen:
1. H. Schilcher, S. Kammerer: "Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer 1. Auflage 2000, ISBN 3-437-55340-2
2. V. Schulz, R. Hänsel: Rationale Phytotherapie - Ratgeber für die ärztliche Praxis, Springer Verlag 4. Auflage 1999, ISBN 3-540-65267-1
3. M. Bühring, F.H. Kemper (Hrsg.): Naturheilverfahren und unkonventionelle medizinische Richtungen, Springer Verlag, Loseblattsammlung